Um die Verflechtung der Namen Lechner, Müller, Werner und David mit der Buchhandlung und der photographischen Manufaktur zu erklären, musste ich das Ganze etwas aufwändiger beschreiben.

Am 12. Februar 1816 übernahm der Buchhändler Franz Härter von Ritter Johann Georg von Mösle und der Verlassenschaft nach Andreas Gaßler die am 6.Juli 1805 emeritierte Buchhandelsgerechtigkeit. Am 25. Juni 1826 ging die Härter´sche Buchhandlung in den Besitz des 1785 in Eisenstadt geborenen Michael Lechner über, der sie unter seinem Namen weiterführte. Er verlegte den Härter´schen Buchladen vom Kohlmarkt in das nachmalige Palais Seillern, Ecke Essiggasse - Bäckerstraße, und führte ihn dort zuerst als Antiquariat. Sein unternehmerischer Geist befasste sich im Laufe der Jahre immer mehr mit dem Verlagsgeschäft. Dies nahm eine solche Ausdehnung an, dass der Verlagskatalog bei seinem Tod im Jahre 1844 fast 600 Verlagserscheinungen aufwies. Unter ihnen befand sich das Kostümwerk von Spalart in 8 Bänden, die Weltgeschichte von Schütz, W.G.Beckers Erzählungen, das neunbändige Handbuch der Arzneiwissenschaft von Behrens, die Bibliothek historischer Klassiker aller Nationen in 32 Bänden, uva. Ferner finden wir in ihm die Namen A. v. Knigge, A.v. Kotzebue, F.R.Kind und viele andere.
Aus Michael Lechners Ehe entsprossen 13 Kinder. Sein Sohn Rudolf Lechner (geboren 1822), trat nach Absolvierung seiner philosophischen Studien an der Universität 1842 in die Handlung seines Vaters ein, führte sie nach dessen Tod für die Erbengemeinschaft weiter und übernahm sie 1847 selbständig. Das Antiquarit trat mehr und mehr zurück und Rudolf Lechner widmete sich dafür mehr dem Sortimentsgeschäft, das bald eines der hervorragendsten in Wien wurde, trotz der Zensur der damaliger Zeit, wie Revisionsamt, das überaus drückend auf dem Buchhandel lag. Rudolf Lechner verlegte seine Buchhandlung aus der Wollzeile-Gegend zum Stock-im-Eisen-Platz. Er war ein freisinniger, freiheitsliebender Mann, nahm großen Anteil an den Geschehnissen des Jahres 1848 und begrüßte als Bürger und Handelsmann die Errungenschaften dieser Zeit, besonders die Pressefreiheit. 1848 gründete er eine, bald sehr geschätzte, politische Zeitschrift »Grad-aus«, der allerdings mit der Oktober - Revolution ein jähes Ende bereitet wurde. In seinem Verlag wandte er sich besonders der Jugendliteratur, der Sprachwissenschaft und den Schulbüchern zu. Bozzis Konversationsbücher, Fornasaris italienische Sprachlehrbücher, die vierbändige Technologie von Sax und und die Spielschriften des Professor Winternitz waren Lechner´sche Verlagserscheinungen, die Generationen überdauert haben. Im Jahre 1874 wurde die Buchhandlung in die Kärntnerstrasse 10 verlegt und Rudolf  Lechner entschloss sich, seine ganze Arbeitskraft dem Verlag und vor allem dem buchhändlerischen Komissionsgeschäft zu widmen, während er das Ladengeschäft an den Buchhändler Eduard Müller und an Alfred Werner verkaufte, die es unter der Firma »R. Lechner Universitätsbuchhandlung (Müller und Werner)« fortführten.
Im Mai 1876 verlegten Müller und Werner die Lechner´sche Universitätsbuchhandlung auf den Graben Nr. 31, Ecke Graben - Stephansplatz. wo sich die Handlung bis zum Schluss befand. Ein Jahr später schied Eduard Müller aus der Firma aus und an seine Stelle trat der junge Buchhändler Wilhelm Müller, geboren 1849, ein Pastorensohn, aus dem thüringschen Städtchen Suhl. Mit seiner Initiative und seinem jugendlichen Elan nahm das Geschäft einen ungeahnten Aufschwung.
Wilhelm Müller hatte 1862 seinen Vater verloren, 7 Kinder harrten der Versorgung. Darum ließ sich der Wunsch der Mutter, auch er möge Pfarrer werden, nicht erfüllen und so begann er 1864 seine buchhändlerische Lehre in Meißen. Sein Weg führte ihn nach Abschluss der Lehre über Erfurt, Mitau, Riga, Petersburg und Moskau im Weltausstellungsjahr 1873 nach Wien zu Braumüller. Kurz darauf konnte er, mit Hilfe von Freunden, der Teilhaber Alfred Werners werden. Werner brauchte einen buchhändlerischen Fachmann, da er, aus Leipzig gebürtig, ein sehr spekulativer, technisch interessierter, genialer Kopf, aus dem Bankfach kam. Kurze Zeit nach Müllers Eintritt wurde die Universitätsbuchhandlung R. Lechner » k.u.k. Hofbuchhandlung«, da viele Mitglieder des Kaiserhauses zur Kundschaft zählten. Im Jahre 1881 erhielt die Firma als wichtige Erweiterung für Jahrzehnte die Vertretung des k.u.k. militärgeographischen Institutes.
Alfred Werner erkannte die Bedeutung der, damals noch in den Kinderschuhen steckenden, Amateurphotographie und gliederte dem Geschäft im Jahre 1885 den Handel mit photographischen Bedarfsartikeln und photographischen Kameras an. Alfred Werner, der zu den Gründungsmitgliedern der k.u.k. photographischen Gesellschaft in Wien zählte, schuf eine eigene Kunsttischlerei mit mechanischer Konstruktionswerkstätte, aus welcher die ersten Kameras, nach ihrem Konstrukteur, dem damaligen k.u.k. Artillerieleutnant Ludwig David »David Salonkameras«, genannt, kamen. Im Verlag der Universitätsbuchhandlung erschien aus der Feder Davids der »Ratgeber für Photographen« in unzähligen Auflagen. Werner brachte im Jahr 1887 seine bekannte »Werner Reisekamera« auf den Markt, welche sich fast 40 Jahre bei Fachmann und Amateur größter Beliebtheit erfreute. Außerdem wurde in Lechners Werkstätte mancherlei andere Konstruktionsarbeit geleistet. So baute man nach den Angaben von Ing. Franz Hafferl die ersten photogrammetrischen Kameras in Österreich, woraus sich später der Phototheodolit entwickelte.
Um die stetig wachsende Kundenzahl zu informieren wurde ab 1. Mai 1889 die Zeitschrift »Lechner´s Mitteilungen aus dem Gebiete der Literatur und Kunst, der Photographie und Kartographie« herausgegeben. Ebenfalls 1889 erschien im Verlag das großangelegte Werk »Österreichisch-ungarische Nationaltrachten« 3 Serien mit 72 verschiedenen Trachtenbildern aus allen Teilen der Monarchie, unter der Leitung des Kostümmalers Franz Gaul, technischer Oberinspektor der k.u.k. Hofoper. Die Kostüme wurden dazu photographiert, im Lichtdruck vervielfältigt und dann handkoloriert. Anlässlich einer Ausstellung im Museum für Kunst und Industrie in Wien erhielt die Firma eine goldene Medaille. In der Landkartenabteilung bemühte man sich unablässig um Ausbau und Modernisierung. Der damals herausgebrachte transparente Himmelsglobus, bearbeitet vom Professor des k.u.k. Theresianums, Dr. Alois Höfler, war eine Sensation für die gesamte wissenschaftliche Welt. Der photographische Abteilung wurde ein eigenes Atelier und eine Kopieranstalt mit der damals modernsten Einrichtung, unter welcher ganz besonders ein Vergrößerungsapparat mit elektrischem Licht hervorgehoben wurde, angegliedert. Die Kunstabteilung vertrieb in großem Stil Tanagra-Figuren (Terrakotta-Mädchenfiguren in stehender oder sitzender Haltung, nach dem Hauptfundort Tanagra in Griechenland benannt), von Bildhauern künstlerisch ausgeführt.
Leider starb Alfred Werner im Alter von 41 Jahren am 25. Jänner 1889 anläßlich eines Kuraufenthaltes in Meran. Sein Name ist unzertrennlich mit der Geschichte der Photographie in Österreich verbunden. Nach dem Tod Werners übernahm der seit 1881 in der Firma tätige Prokurist Ernst Rieck mit großem Erfolg den Ausbau der photographischen Manufaktur und der Kunstabteilung. Rieck besuchte die Firma Kodak in Rochester und brachte seinem Wiener Haus im September 1890 die Vertretung dieser Firma für Österreich - Ungarn und damit auch für alle angrenzenden Länder des Ostraumes.
Zu Anfang des Jahrhunderts umfasste Lechners photographische Bibliothek bereits 7 Bände, »Lainer´s Photo-Chemie« in 3 Bänden war erschienen und Lechners Heliogravüre-Portraits militärischen Genres fanden größte Verbreitung. 1892 wurde in der Firma Lechner Generalmajor Hübels Meßtisch-Photogrammeter hergestellt und für Fritjof Nansen geliefert. Im gleichen Jahr erhielt die Firma auf der Internationalen Photographischen Ausstellung die Goldmedaille. Als im Jahr 1896 der 2000. Photoapparat den Betrieb verließ, wurde der Hoflieferantentitel auch der photographischen Manufaktur verliehen. 1897 hatte sich Wilhelm Müller mit Lili Bachmayr, der Tochter eines angesehenen Wiener Kaufmanns, verheiratet. Aus der Ehe entsprossen 5 Kinder. Die photographische Abteilung wurde 1900 um einen Fabriksbau in der Schanzstraße erweitert. Hier wurde dann auch die Erzeugung verschiedener Spezialapparate aufgenommen und im Weltkrieg wurden hier die Fliegerkameras für die österreichische Luftwaffe gebaut. Von 1900 an datierte auch der Brauch bei Lechner, Lokalereignisse und Tagesgeschehen zu photographieren und die Firma verfügte in kürzester Zeit über ein Archiv von zehntausenden Photos, eine fast unbekannte Fundgrube von beachtlichem geschichtlichen und kulturellen Wert. Wilhelm Müller, seit 1902 Kommerzialrat, gelang es auch zu dieser Zeit, die Aufhebung des Zolles auf Bücher zu erreichen.
Die Firma dehnte ihre Tätigkei noch weiter aus. Bis dato hatte Müller nur qualitativ hochwertige Geräte herstellen lassen und billige Apparate von der Produktion ausgeschlossen. Da begab es sich, dass die einzige in Österreich bestehende Fabrik billiger, für den Export bestimmter Apparate, in Schwierigkeiten geriet und der Fortbestand derselben fraglich war. Kurz entschlossen übernahm Müller die unter dem Namen "Kamera-Industrie G.m.b.H." bestehende Firma, änderte den Namen auf "Kamera-Industie" (Wilh. Müller) und führte in einer separaten Abteilung der Fabrik die Herstellung billiger Apparate ein. Diese unter dem Namen "Austria Kameras" in den Handel gebrachten Apparate waren ein großer Erfolg und wurden sogar nach Übersee exportiert. Er führte die Firma durch die schwere Zeit des Krieges und des Zusammenbruchs und verstarb am 22. Mai 1928 und die Witwe führte den Betrieb so recht und schlecht bis nach dem "Anschluss" am 11. März 1938. Kurz danach, unter nicht ganz geklärten Umständen, war der Alleininhaber und "Betriebsführer" ein ebenfalls aus Thüringen stammender Buchhändler namens Walter Krieg.
»Auszug aus einer Festschrift 1941«
Als Inhaber der bekannten Stubenrauch Verlagsbuchhandlung in Berlin hat er als wissenschaftlicher Verleger von jeher mit besonderer Vorliebe der deutsch-österreichischen Forschung, vor allem auf dem Gebiete der deutschen Volkskunde, nicht nur eine Heimstatt geboten, sondern sie nach allen Kräften und mit dem Einsatze bedeutender Mittel, oft unter Überwindung größter Schwierigkeiten, gefördert. Seine zahlreichen Reisen und Aufenthalte im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hatten ihm dieses schöne Land und seine Menschen lieb und teuer werden lassen, und er ergriff darum gerne die Gelegenheit, um Zuneigung und Einsatzbereitschaft erneut unter Beweis zu stellen durch den Erwerb dieses alten, verpflichtenden Unternehmens.
Der Gewerbeschein wurde 1964 zurückgelegt und die Firma liquidiert.


Fabrik in der Schanzstrasse



Taschnerei

Holzbearbeitung


Kunsttischlerei

Mechanische Werkstätte



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